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Zwei Theaterstücke von Martin Schörle

"Nicht alltägliches aus dem Leben eines Beamten" und "Einladung zum Klassentreffen"

Ein Jahrgang und ein Schnauzbart wie mein Vater, Abitur, wohnt in meiner ehemaligen Wahlheimat Hamburg, ist verheiratet, hat Kinder und findet Poetry Slam gut.

Das ist Martin Schörle in kurzen Eckdaten. Das sind auch die Punkte seines Steckbriefes, die mir besonders gut gefallen haben, sodass ich neugierig auf sein Buch wurde.

Erst vor wenigen Tagen bin ich in den Genuss der beiden preisgekrönten Theaterstücke* in Textform gekommen und bin nach Beendigung gemischter Gefühle. Aber von vorn.

Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten

Dieses Theaterstück ist ein Monolog durchzogen von Tragik, Kabarett und Galgenhumor.

Mittelpunkt ist ein Verwaltungsbeamter namens Fredenbek, der den Bezug zur Realität hinter der Bürotür verloren hat. Gespickt mit äußerst irren Rückblenden bekommt der Zuschauer bzw. Leser einen Einblick in das traurige Seelenleben des Herren Fredenbek.

Als Szenerie wird ein Büro während der Faschingszeit dargestellt, meines Erachtens vom Autor passenderweise gewählt. Dadurch bekommt das ganze Stück eine noch zwielichtere Stimmung.

Martin Schörle war es wichtig, den Typus des Protagonisten zu Beginn  des Stückes relativ genau zu beschreiben, vermutlich, damit der Schauspieler sich später gut seine Rolle einfinden kann und das Gesagte entsprechend rüberbringt.

Der Monolog beginnt im Büro mit einer äußerst nebensächlichen Feststellung eines fehlenden Radiergummis, wobei das Thema en detail von Herrn Fredenbek auseinandergenommen wird, geht über zu einer Rückblende, in der der Beamte im Urlaub ist und sich auf einer Toilette einschließt um dort Beamter zu "spielen" und endet wieder im Büro mit einer überraschenden Nachricht seiner Frau.

 

Ohne genau zu beschreiben, was der Inhalt dieses Stückes ist, möchte ich anmerken, dass sehr detailbewusst und fachwortspezifisch gehandelt und gesprochen wird.

Auch realitätsnahe Situationen werden aufgegriffen. Im Folgenden Zitat geht es um einen Herren, dessen Frau sich getrennt hat:

"In jenen wenigen Minuten (...) konnte ich diesen bedauernswerten Menschen nicht nur dazu bringen, von lebensbeendenden Maßnahmen abzusehen, sondern auch dazu, sich seinen Trainingsanzug überzuziehen (was sich schwierig gestaltete, da nur seine Frau wusste, wo er lag) (...)" S. 14.

 

Außerdem möchte ich Herrn Fredenbek eine gewisse Schizophrenie unterstellen, was dem Ganzen einen wahnwiztigen Beigeschmack gibt.

Zudem stützt sich der Protagonist sehr auf Statistiken, kennt diese alle auswendig und ist äußerst kreativ im Sinne der Wortneuschöpfungen.

Grundsätzlich ist, obwohl das Theaterstück meines Erachtens ein wenig psychotisch ist, das Spiel bzw. die Sprache des Sprechers sehr methaporisch. Für einen Liebhaber der bildlichen deutschen Sprache ein wahres Paradies.

Einladung zum Klassentreffen

Dieses Theaterstück ist ein Dialog zwischen einem Mann und einer Frau, geführt durch ein Telefon. Auch hier gibt es Rückblenden. Das Stück ist insgesamt freundlicher und lockerer gestaltet und lässt auf ein positives Ende hoffen.

Inhaltlich geht es darum, dass Carsten seine ehemalige Jugendliebe Marina anruft, um sie zum Ehemaligen-Treffen einzuladen. Marina sitzt derweil im Zug, Fahrgäste inklusive.

Schnell kristallisiert sich heraus, dass es vorranig um die Beziehung der beiden geht, um alte Gefühle, um neue Gefühle und um Marinas Exmann.

Mit der richtigen Portion Komik hält das Stück den Zuschauer/ Leser in seinem Bann. Auch die Mitreisenden im Zug erhalten ihren Anteil an Spannung.

Auch hier möchte ich nicht näher auf den Inhalt eingehen, da man das Stück selbst lesen sollte.

Einige Szenen des Stückes sind ein wahres Spiegelbild unserer Gesellschaft. Vor allem das Einmischen Dritter in die Privatsphäre der Telefonierenden.

Resumé

Mir persönlich hat das zweite Stück, der Dialog um einiges besser gefallen, wie das erste Stück, wobei dieses deutlich tiefgründiger ist.

Dennoch glaube ich, dass Zuschauer eher einem Dialog zuschauen würden, denn einem Monolog.

Zudem bin ich der Meinung, das beide Stücke viel zu kurz sind, um ein abendfüllendes Programm von mindestens zwei Stunden zu sein. Als Kurzstücke, eingebunden in einem Showabend mit mehreren Auftritten verschiedener Künstler jedoch, finden sie wahrlich ihren Platz.

Dem Autoren Martin Schörle möchte ich an dieser Stelle gratulieren, zwei so unterschiedliche Stücke geschrieben zu haben. Damit bewies er Mut und seine Vielfältigkeit. Ich wünsche Erfolg für das Buch und eine baldige Darstellung auf den Bühnen Deutschlands.

Quelle: Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten und Einladung zum Klassentreffen, Martin Schörle, Engelsdorfer Verlag, 9,50 €, ISBN: 978-3-960084082)

 

*Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Autor zur Rezension zur Verfügung gestellt.

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